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deutsch

»Interflugs 30: feral methods« will ausgehend von den Erfahrungen aus drei Jahrzehnten selbstorganisiertem Lernen und Lehren den Kontext autonomer, kollektiver Bildungs- und Kulturpraxis in Berlin und darüber hinaus untersuchen und aktualisieren. Interflugs ist eine autonome Studierendenorganisation. Sie entstand in den weitreichenden Studierendenprotesten gegen die Ökonomisierung des Bildungswesens 1989 in West-Berlin. Als Ergebnis des Streiks konnten sich Studierende der Universität der Künste (UdK) Berlin genug organisatorisches Gewicht und ein Budget sichern, um einen eigenen Lehrplan und Infrastruktur aufzubauen. Schwerpunkte der neuen Einrichtung waren Interdisziplinarität und neue Medien, die zu dieser Zeit an der Institution noch nicht angeboten wurden.

Seit 30 Jahren bietet die Gruppe Workshops, Vorträge, eine Geräteausleihe und Schnitträume an, die sowohl Studierenden als auch Nicht-Studierenden zugänglich sind. Viele Jahre lang existierte außerdem mit der Freien Klasse die Möglichkeit, ohne Professor_in und außerhalb des überkommenen Meisterschüler_innensystems zu studieren. Interflugs arbeitet daran, den Zugang zu den Mitteln der (Kunst-)Produktion zu erweitern, die Institution zu hinterfragen und emanzipatorische Kämpfe innerhalb wie außerhalb der Schule zu unterstützen. Trotz zunehmender Prekarität hat sich Interflugs auf unterschiedliche Weise durch die Jahre bemüht, einen Ort für diejenigen zu bieten, die sich nach Transformation oder Rebellion gegen die herrschende Ideologie der Kunsthochschule sehnen, und für diejenigen, die diese neu erträumen.

In den letzten drei Jahrzehnten ist vielstimmiges Material gesammelt worden - Videozeitungen, Papiere, Zines, Poster und Dokumentation von Vorträgen. »feral methods« überführt dieses Material in ein aufbereitetes Archiv, dreht und wendet es und macht es für eine breitere Öffentlichkeit zugänglich. Die Projektgruppe hat sich dem vielschichtigen Material wie einem Haufen Kompost genähert, als Stoff den man aufschütteln und durchmischen kann und auf dem neue Ideen wachsen.

Neu entstanden ist eine Sammlung von Interviews mit Mitgliedern aller Generationen von Interflugs, Freier Klasse und Videozeitung, die im Rahmen dieser Recherche im letzten Jahr geführt wurden. Mehr als fünfzig verschiedene Stimmen aus drei Jahrzehnten der autonomen Studierendenorganisation legen den Grundstein für eine ›oral herstory‹ [mündlich überlieferte Geschichte] die ein Gefühl für die Vielzahl von Praktiken und Absichten, Schwierigkeiten und Widersprüchen, wechselnden Prioritäten und Vorschlägen dieser Organisation vermittelt.

Um über die Archivarbeit hinaus eine Verbindung zu heutigen Kämpfen herzustellen, wurden fünf Kollektive eingeladen, an das Format der ›Videozeitung‹ anzuknüpfen, die im Streik von 1989 entstand: Studierende filmten mit Videokameras, was ihnen berichtenswert erschien, und sendeten das Material auf Fernsehgeräten, die an allen Berliner Universitäten aufgestellt waren. Aktuelle Videozeitungen wurden von Anonymous arts students Copenhagen (Kopenhagen), Rojava Film Commune (Rojava), #FREESZFE (Budapest), Polizeiklasse Dresden (Dresden) und Mon Autre École / Madrassati Nafidati (Algier) erstellt. Diese Videos werden hier zum ersten Mal gezeigt, sie sind Porträts aktueller Kämpfe für freie und demokratische Bildung.

Ein weiterer wichtiger Bestandteil von »Interflugs 30: feral methods« ist ein Programm aus Workshops, Gesprächen und audiovisuellen Arbeiten, die im Rahmen des Projekts online angeboten werden. Zu den Kernfragen zählen hier die Rolle und Methoden des Archivierens in selbstorganisierten kollektiven Kontexten, sowie die zunehmend widrigen Bedingungen und anhaltenden Herausforderungen für die Schaffung und Erhaltung solidarischer Räume. Außerdem geht es um die immer dringlichere Frage, wie Wissen außerhalb exklusiver, auf seiner Privatisierung basierender Ökonomien weitergegeben wird. Was ist verloren und fehlt im Gedächtnis? Wie schmieden wir Systeme der Unterstützung und Fürsorge, um die Lasten der wachsenden Prekarität zu teilen? Wie archivieren wir Freundschaften oder Klatsch und Tratsch? Und wie können Gegenöffentlichkeiten aufrechterhalten werden, wenn das öffentliche Leben zum Stillstand gekommen ist?

english

»Interflugs 30: feral methods« aims to examine and update the context of autonomous, collective educational and cultural practice in Berlin and beyond based on three decades of self-organised learning and teaching. Interflugs is an autonomous student-run organisation that originated in large scale protests in West Berlin 1989 against the economisation of education. As a result of the strike, students from the University of the Arts (UdK) Berlin were able to secure organising power and a budget that allowed them to set up their own curriculum and facilities, mainly geared towards interdisciplinarity and new media, which at the time did not exist at the institution.

Over the past 30 years, the group has been running workshops, lectures, an equipment loan and editing rooms that are open to students and non-students alike. For many years, students also ran a ›Freie Klasse‹ [free class] studying outside the oversight of a professor, hereby defying the ancient masterclass system. Interflugs works to increase access to the means of (art) production, to question the institution, and to support emancipatory struggles inside as well as outside the school. Despite increasing precarity, Interflugs has strived, in different ways and times, to offer a place to gather for those who desire transformation or rebellion against the dominant ideology of the arts university and for those dreaming it anew. A wide variety of material has been collected over the past three decades - video journals, papers, zines, posters, and documentation of lectures. »feral methods« now transfers this material into an archive, examines it from within and makes it accessible to a wider public. The project group approached this multilayered material as a messy pile of compost, dirt to shake up, turn around and grow new ideas on.

A new section of the archive provides a collection of interviews with members of all generations of Interflugs, ›Freie Klasse‹ and ›Videozeitung‹ [Video journal] conducted over the past year in the framework of this research. More than fifty different voices from three decades of the autonomous faculty lay the ground for an oral herstory, providing a sense of the multitude of practices and intentions, troubles and contradictions, shifting priorities and proposals of this organisation.

In order to connect beyond the archival work with current struggles, five collectives have been invited to pick up the format of the ›Videozeitung‹ that originated in the 1989 strike: students filmed what seemed newsworthy to them with video cameras and broadcast the material on televisions set up at all Berlin universities. Up-to-date video journals have been produced by Anonymous arts students Copenhagen (Copenhagen), Rojava Film Commune (Rojava), #FREESZFE (Budapest), Polizeiklasse Dresden (Dresden), and Mon Autre École / Madrassati Nafidati (Algiers). These videos will be shown for the first time and portray current struggles and practices for free and democratic education.

Continuing the practice of self-organised learning, »Interflugs 30: feral methods« is accompanied by a program of workshops, discussions, and audiovisual works offered online as part of the project. The core questions here include the role and modes of archiving in self-organised collective contexts and the increasingly adverse conditions and ongoing challenges for creating and maintaining such spaces of solidarity. Furthermore the ever urgent question of how knowledge is transferred outside of the exclusive economies based on its privatisation, will be addressed. What is lost and missing from memory? How do we forge systems of support and care to share the burdens of growing precarity? How do we archive friendships and gossip? And how can counterpublics be sustained, when public life is put to a halt?

Mit:
Mouna Abo Assali, Erfan Aboutalebi, Ernest Ah, Anonymous arts students Copenhagen, autofocus videowerkstatt e.V.,bak.ma, t blank & Lee Stevens vom Kollektiv der Raumerweiterungshalle, Nino Bulling, Clementine E. Burnley, cash group, jee chan, Pêdra Costa, das kollektiv und maiz, Vaginal Davis, Mika Ebbing, Bilge Emir, #exitracismUDK, #FREESZFE, *foundationClass, Jan Gerber & Sebastian Lütgert, Immo Heat, Interflugs, Rosa Kerosene - Temporary Institute of Hexenpower, Lucia Krug, Kornelia Kugler, Roberto Lares, Sara Lehn, Cammack Lindsey, Yuyen Lin-Woywod, Little Brother & Sister Are Watching You / Videocratica, Tamar Magradze, Mon Autre École / Madrassati Nafidati, Marit Östberg, Polizeiklasse Dresden, Rojava Film Commune, Salma Salem, Caio Soares, Pelin Tan u.a.

entangled events

5. Februar
18-19 Uhr

Welcome Event (en)

Begrüßung und Treffen - mit der Projektgruppe »Interflugs 30: feral methods«

5. Februar
19 Uhr

Autonomous archiving w/ Pelin Tan (en)

Vortrag und Diskussion mit Pelin Tan

16. Februar
10-11 Uhr & 12-14 Uhr

Relationship building as an infrastructure for collective liberation (en)

Workshop mit Clementine E. Burnley

19. Februar
19 Uhr

*foundationClass – das Buch (de/en)

Buchprasentation

26. Februar
19 Uhr

The pilot is gone. Fasten your seat belts: the planetary transition from some non-hegemonic visions (en)

Interactive Performance von Pedra Costa

5. Marz
18 Uhr

FERAL TV: Collective video actions

Videos von Mon Autre École / Madrassati Nafidati, #FreeFSZE, Rojava Film Commune, Anonymous Art Students Copenhagen, Polizeiklasse Dresden Video-Screening gefolgt von einer Diskussion mit den Filmemacher_innen (en/fr)

9. Marz
18-21 Uhr

Money money money: Über das Kollektivieren von Geld sprechen

Workshop mit cash group collective

12. Marz
20-22 Uhr

Little Brother and Sister are Watching You (en/es)

Präsentation und Diskussion mit Videocratica and the community of Little Brothers & Sisters

16. Marz
12-16 Uhr

refusing

Workshop mit jee chan

17. Marz
12-16 Uhr

insisting and remembering to breathe (en)

Workshop mit jee chan

3-4. Marz
12-14 Uhr

Filmmaking as a collective approach to dreaming & learning (en)

Workshop mit Marit Östberg

26. Marz
19-21 Uhr

Wir weigern uns, Zoombies zu bilden! (de)

Diskussion mit das kollektiv und maiz

every friday
11-18 Uhr

Besuch im Archivraum
1:1 – mit Anmeldung *

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